Ex-VW Vorstand Winterkorn

War Journalismus schon immer so profan? 10.08.2018 by hnowatzki

Ich höre auf den langen Autofahrten zu den Finanzgerichten unserer Republik meist Nachrichtensender wie DLF, weil ich dort vor den Werbepausen verschont bleibe, die nur mein Aggressionspotenzial fördern.

Aber seit nunmehr vier Tagen muss ich mir in den Nachrichten immer und immer wieder etwas anhören, das mich noch aggressiver macht, als die systematisch verdummenden Werbespots:

Diese stündlich wiederkehrende Dauer-Berieselung über eine angebliche Steuerhinterziehung durch den „Ex-VW Vorstand Winterkorn“, weil er einen Geldbetrag auf ein Konto seiner Frau in der Schweiz überwiesen haben soll, bringt so langsam mein Blut zum Kochen. Alleine am letzten Sonntag musste ich mir auf einer Fahrt zwischen Zürich und Karlsruhe drei Mal diese Präjudize anhören, welche einer medialen Vorverurteilung gleichkommen.

Zu keiner Zeit wurde irgendein strafrechtlich relevantes Beweismittel erwähnt, stattdessen wird gebetsmühlenhaft stündlich in den Nachrichten wiederholt, dass Winterkorn sich jetzt auch einer Steuerhinterziehung schuldig gemacht habe, indem er 10 Millionen Euro auf ein Konto seiner Ehefrau in der Schweiz überwiesen habe. Und – auch das wurde stündlich wiederholt – er wolle damit sicherlich „einen Notgroschen“ vor eventuellen Ansprüchen von VW in der Diesel-Affäre in Sicherheit bringen.

Das Fass zum überlaufen brachte dann am späten Nachmittag ein Kommentator, der behauptete, Winterkorn hätte 10 Millionen Euro Schenkungsteuer hinterzogen?

Ich habe vier Fragen:

Erstens:

Hat der Kommentator etwa keinen Blick in das Schenkungsteuergesetz geworfen, bevor seinen Schwachsinn im Rundfunk verbreiten durfte?

Selbst wenn wir von einer Schenkung ausgingen, kann man bei einer Zahlung über 10 Millionen Euro nur dann 10 Millionen Euro Schenkungsteuer hinterziehen, wenn der Steuersatz für diese Schenkung 100% beträgt. Nun, die Steuersätze in Deutschland sind noch, aber nicht so hoch. In diesem Fall läge er nur bei 23% (§ 19 ErbStG).

 

Zweitens:

Es gibt steuerliche Gestaltungen, die es ermöglichen, seiner Ehefrau völlig legal 10 Millionen Euro (und mehr) steuerfrei zu schenken. Ich gebe hier nur einmal das Stichwort „Zugewinnschaukel“ und § 5 Abs. 2 ErbStG. Der Gesetzgeber lässt dies ausdrücklich zu. Hat der Kommentator dies vorher etwa nicht mit einem spezialisierten Steuerberater besprochen?

 

Drittens:

Hat vielleicht die Ehefrau bereits eine Schenkungsteuererklärung abgegeben. Sollte man das nicht zunächst prüfen, bevor man eine mediale Kampagne dieses Ausmaßes startet?

 

Viertens: 

Wer sagt, dass es sich bei der Zahlung nicht ein Darlehen, eine Darlehensrückzahlung, Zugewinnausgleich, Treuhandgeld oder was auch immer handelte?

 

Nachtrag am 11, August 2018:

Im Nachgang und bei Betrachtung der in den letzten Tagen auf das Ereignis folgenden Pressemeldungen drängen sich mir folgende weitere Fragen auf:

 

Wo steht geschrieben, dass ein Geldtransfer von einer deutschen Bank an eine Schweizer Bank alleine den Tatbestand einer Steuerhinterziehung erfüllt?

Wer lanciert eine solche Meldung, wohl wissend, dass damit jemand öffentlich denunziert wird, der möglicherweise nichts anderes getan hat, als Geld von einem Konto auf ein anderes zu überweisen.

Wer hat Zugang zu dieser Information und wie ist es möglich, dass diese Person solche Informationen an die Medien geben kann, ohne dafür juristisch belangt zu werden?

Warum berichten die Medien nicht darüber, dass es bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig offenbar jemanden gibt, der sich durch „Verrat von Dienstgeheimnissen“ strafbar macht? Warum hört man hier keine Namen? Welcher Staatsanwalt ist verantwortlich? Wer hatte wann Zugang zu den Akten?

Welche Sendeanstalt lässt zu, dass ein derart offensichtliche Präjudiz tagelang stündlich mit immer den gleichen juristisch belanglosen Phrasen gesendet und gedruckt wird?


Konversation wird geladen